Zum Hauptinhalt springen

BESTATTERINNUNG SAARLAND

Die Leichenschau in der Kritik

Rechtsmediziner erörterte die aktuelle Situation

Dr. med. Matthias Kettner, Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes setzt sich kritisch mit der „Leichenschau“ auseinander. Dabei zeigt die Historie auf, dass die obligatorische Leichenschau im Bundesgebiet in den Länderregelungen erst 1977 aufgenommen wurde. Der Status Quo ist im Gesetz über Friedhofs-, Bestattungs- und Leichenwesen festgeschrieben

Für Dr. Kettner hat die „Misere“ der ärztlichen Leichenschau mehrere Ursachen. Strukturell fehlt eine bundeseinheitliche Regelung, wobei die Todesbescheinigungen wenig ausdifferenziert sind. Objektiv gesehen ist der Leichenschauer oftmals überfordert und es fehlen flexible Lösungsmöglichkeiten. „Die Leichenschau wird als Aufgabe jenseits des Heilauftrags gesehen und es fehlt die Vorbildung in der Handhabung von Problemfällen. Dabei wird leichtfertig ein natürlicher Tod attestiert. Hinzu kommt eine unzureichende Honorierung im Hinblick auf eine der verantwortungsvollsten medizinischen Diagnosen“, kritisierte der Rechtsmediziner. An Hand einer Studie zur Ärztlichen Leichenschau verdeutlichte Kettner die Problematik. Man schätzt ein Dunkelfeld von 1.200 Tötungen und 1.100 fehlklassifizierten nichtnatürlichen Todesfällen pro Jahr in der Bundesrepublik, wobei die Hauptfehlerquelle in der fehlerhaften Leichenschau bzw. fehlerhaften Ausstellung des Leichenschauscheines liegt. Dies verursacht natürlich eine erhebliche Unzufriedenheit aller Beteiligten und eine erhebliche Rechtsunsicherheit im Hinblick auf nicht erkannte und dementsprechend nicht attestierte nichtnatürliche Todesfälle. Dr. Kettner forderte daher eine Intensivierung der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Ärzte und die Schaffung eines institutionell angesiedelten Leichenschaudienstes mit der Schaffung notwendiger Stellen bei den Gesundheitsämtern und die Abtretung an rechtsmedizinische Institute. Seine Forderungen untermauerte er mit dem Hinweis auf die statistischen Zahlen aus dem Jahr 2012 mit rund 870.000 Verstorbenen in der Bundesrepublik. Tätig waren ca. 250 Rechtsmediziner – was ca. 3.480 Sterbefälle pro Mediziner bedeutet mit etwa 16 Leichenschauen pro Tag an unterschiedlichen Orten. Es stehen in der Regel 20-30 Minuten pro Fall zur Verfügung.