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BESTATTERINNUNG SAARLAND

Urteil zur Sozialbestattung ändert Praxis der Sozialämter

Entscheidung des Landessozialgerichtes hilft auch Bestattern

Unter Verweis auf den Nachrang der Sozialhilfeansprüche kann das Sozialamt von einem Antragssteller, dem an sich die Übernahme der Bestattungskosten nicht zumutbar ist, nicht verlangen, Ausgleichsansprüche gegenüber Dritten zu realisieren.

Ein mittlerweile ständiger Streitpunkt bei Sozialbestattungen nach § 74 SGB XII ist der Hinweis von Sozialämtern, dass der Antragssteller evtl. noch Ersatzansprüche gegen Dritte habe und deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse nur unzureichend dargelegt seien. Die Sozialämter lehnen dann den Antrag ab, obwohl die aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsstellers selbst eindeutig dafür sprechen, dass ihm die Kosten der Bestattung des Angehörigen nicht zumutbar sind. Friedhofsgebühren, Kremationskosten und die Rechnung des Bestatters bleiben dann unbezahlt, weil der Antragssteller eben nicht vermögend ist und Vollstreckungen gegen ihn daher ins Leere laufen.

Das Landessozialgericht des Saarlandes (Urteil vom 24.10.2013, Az. L 11 SO 13/12, rechtskräftig) hat nun der Argumentation der Sozialämter einen Riegel vorgeschoben. Es hat nach einem insgesamt dreijährigen Verfahren durch die Instanzen entschieden, dass die Bestattungskosten vom Sozialamt  zu tragen sind. Die Antragstellerin beantragt in 2010 die Übernahme der Kosten der Bestattung ihres Ehemannes, darunter die Bestattung selbst für 1.083,92 €, die Kremation für 495 € und die Friedhofsgebühr für 1.815 €. Aus erster Ehe hinterließ der Verstorbene noch eine Tochter. Verstorbener und Ehefrau (die Antragstellerin) bezogen und beziehen ALG II. Die Tochter reagiert auf Telefonanrufe und ein Schreiben des Bestattungsunternehmens nicht und gibt ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht preis. Das Sozialamt lehnt den Antrag schließlich ab, weil die Antragstellerin nicht bewiesen habe, dass ihr die Bestattungskosten unzumutbar seien: Es sei noch ein Ausgleichsanspruch gegenüber der Tochter denkbar.

Das LSG sieht die Klägerin aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht auch als Verpflichtete im Sinne von § 74 SGB XII, der aufgrund des ALG II-Bezuges die Kosten der Bestattung ihres Ehemannes nicht zumutbar waren. Der Nachrang des Sozialhilfeanspruches gemäß § 2 Absatz 1 SGB XII greift nur ein, wenn ohne weiteres Ansprüche gegenüber Dritten realisiert werden können oder sich  generell der Antragssteller allen eigenen Bemühungen verschließt. Im entschiedenen Fall hat aber die (Stief-)Tochter und gerade nicht die Antragstellerin jegliche Zusammenarbeit und Information verweigert. Die Tochter reagierte weder auf Anrufe ihrer Stiefmutter noch auf das Anschreiben des Bestatters, schließlich auch nicht auf die Aufforderung des Gerichts und dessen Zeugenladung.

Erfreulicherweise haben sich die Sozialämter im Saarland nun tatsächlich im Nachgang zu dem Urteil auf die Einhaltung der wohl jetzt ständigen Rechtsprechung eingelassen, wonach grundsätzlich auf Ausgleichsansprüche gegen Dritte nicht verwiesen werden kann (so BSG vom 29.09.2009, Az. B 8 SO 23/08 R und vom 25.08.2011, B 8 SO 20/10 R). Auch das systematische Verweisen der Sozialämter auf mangelnde Mitwirkung der Antragsteller, wenn ausgleichspflichtige Dritte einfach gar nicht reagieren, hat nun aufgrund einer angepassten Richtlinie ein Ende; zumindest dann, wenn sich die Antragssteller erkennbar um Informationen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen anderer Bestattungs- und Ausgleichspflichtiger bemühen. Dazu genügt der Nachweis eines erfolglosen Anschreibens oder erst recht, wenn der angeschriebene Dritte ausdrücklich jegliche Zahlung ablehnt. Ggf. können neben den Sozialämtern in den Grenzen des Rechtsberatungsgesetzes auch Bestatter beim Verfassen von Auskunftsbegehren gegenüber den (passiven) anderen Angehörigen behilflich sein.

Die Sozialämter sind in solchen Fällen nicht rechtlos gestellt. Sie können die Ausgleichsansprüche des Antragstellers gegen Dritte auf sich überleiten und dann bei dem Dritten geltend machen und mit Verwaltungszwang auch durchsetzen. Das sind alles Möglichkeiten, die ein Bestatter nicht hat! Laut Regionalverband Saarbrücken hat dessen Sozialamt seit Vorlage des Urteils Anfang November 2013 schon 16 Überleitungen verfügt, d. h. das Amt hat die Sozialbestattung bezahlt und versucht nun von den ausgleichspflichtigen Dritten Auskunft über deren Vermögensverhältnisse und dann auch Zahlung zu erhalten.

Die Richtlinie hat seit 01.01.2014 folgenden Wortlaut in Bezug auf die Tragung von Bestattungskosten:

„Sofern die zur Kostentragung verpflichtete Person mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegen andere Personen einen Ausgleichsanspruch geltend machen und durchsetzen kann, ist eine Unzumutbarkeit gemäß § 74 abzulehnen. Andererseits kann der Träger der Sozialhilfe den Ausgleichsanspruch des Verpflichteten gegen dritte Personen gemäß § 93 auf sich überleiten und geltend machen. Folglich ist in diesen Fällen eine einzelfallspezifische Ermessenentscheidung zu treffen.“